DAs Nervensystem regulieren, was heisst das? ...
Nervensystem-Regulation bedeutet, dass wir lernen, auf unsere inneren Zustände zu achten und sie so zu beeinflussen, dass wir leichter durch stressige Situationen manövrieren können und uns das Steuer nicht aus den Händen gleitet. Ein reguliertes Nervensystem hilft uns nicht nur, uns selbst besser zu verstehen und anzunehmen, sondern auch, in unseren Beziehungen und täglichen Aufgaben effektiver und erfüllter zu sein.
Denn: wusstest du, dass unser Nervensystem eine zentrale Rolle spielt in unserer Fähigkeit, mit Stress umzugehen, uns nicht nur sicher und wohl zu fühlen, sondern auch unsere Träume zu leben?
Drei Systeme- drei unterschiedliche Empfindungen
Wir können grob drei verschiedene Nervensystem-Zustände unterscheiden. Hier siehst du die Besonderheiten jedes Zustandes.
Sicher und geborgen, die Welt ist Schön! (Ventraler Vagus-Zustand)
- Beschreibung: Wenn wir uns sicher und geborgen fühlen, ist der ventrale Vagusnerv aktiv. In diesem Zustand sind wir sozial, entspannt und in der Lage, klar zu denken und zu kommunizieren.
- Symptome: Ruhiger Herzschlag, tiefe Atmung, soziale Verbundenheit, emotionale Stabilität.
- Bedeutung: Dieser Zustand ist optimal für Lernen, Kreativität und Beziehungen. Wir fühlen uns in unserer Haut wohl und sind offen für neue Erfahrungen.
Alles ist ein Kampf oder zum davon laufen! (Sympathikus-Zustand)
- Beschreibung: Bei wahrgenommener Bedrohung aktiviert sich das sympathische Nervensystem. Unser Körper bereitet sich darauf vor, entweder zu kämpfen oder zu fliehen. Wir nehmen Situationen, andere Menschen und uns selbst als nervig, anstrengend, mühsam wahr, sind verbissen und unentspannt
- Körperliche Symptome: Erhöhter Herzschlag, schnelle Atmung, Muskelanspannung, Schweißausbrüche, schlechter Schlaf, schwaches Immunsystem, Verdauungsbeschwerden etc.
- Bedeutung: Kurzfristig ist dieser Zustand nützlich und lebensrettend. Langfristig kann chronischer Stress jedoch zu gesundheitlichen Problemen führen.
Es ist alles nutzlos, unerreichbar! Dorsaler Vagus-Zustand (Erstarrungszustand)
- Beschreibung: Bei extremen Bedrohungen oder anhaltendem Stress kann der dorsale Vagusnerv aktiviert werden, was zu einem Zustand der Erstarrung oder des "Abschaltens" führt. Wir fühlen uns isoliert, erschöpft, deprimiert, haben aufgegeben zu kämpfen.
- körperliche Symptome: Verlangsamter Herzschlag, flache Atmung, Gefühl der Taubheit oder Dissoziation, sozialer Rückzug.
- Bedeutung: Dieser Zustand kann kurzfristig als Schutzmechanismus dienen, langfristig jedoch zu Depression, Isolation und gesundheitlichen Problemen führen.
Wir wechseln automatisch immer wieder durch die verschiedenen Zustände
Wenn du die Beschreibungen der drei Zustände gelesen hast, denkst du jetzt vielleicht, es wäre am Besten, immer im ventralen Vagus-Zustand sein zu können. Das ist aber unrealistisch und auch nicht das Ziel der Nervensystem-Regulation. Tatsächlich bewirkt ein reguliertes Nervensystem, dass du dich auch bei Ärger und Frust nicht verlierst, wenn du traurig bist, immer noch den Kontakt zu dir und deiner Umwelt halten kannst und auch aus unangenehmen Zuständen schnell wieder in eine Gefühl von Sicherheit und Verbundenheit zurückkehren kannst.
Meine 3 Nervensystemzustände in Griffnähe - eine Möglichkeit der Nervensystem-Regulation
Die drei Steine, die du auf dem Foto oben siehst, habe ich am Meer in Frankreich gesammelt und nun sind sie immer griffbereit auf meinem Bürotisch. Der Helle steht für meinen ventralen Vagus, der Rote für den Sympathikus und der Blaue für den dorsalen Vagus. Immer wieder nehme ich sie aktiv wahr und frage mich, welcher der 3 Zustände gerade am Dominantesten ist. Ob dieser Zustand etwas bestimmtes zur Unterstützung braucht, aber ohne den Zustand abzulehnen oder verdrängen zu wollen
Denn Nervensystem-Regulation hat (wie auch traumasensibles Arbeiten) den Anspruch, dass alles was ist, aus einem guten Grund da ist und nicht weggedrängt werden soll.
Du möchtest noch etwas tiefer ins Thema eintauchen? Und noch etwas über die Polyvagaltheorie erfahren? Dann lies hier weiter...
Das autonome Nervensystem (ANS) ist ein komplexes Netzwerk, das eine zentrale Rolle in unserer emotionalen und körperlichen Regulation spielt. Es steuert unbewusst lebenswichtige Funktionen wie Herzschlag, Atmung und Verdauung. Doch darüber hinaus ist das ANS entscheidend für unser Empfinden von Sicherheit und unser Reaktionsverhalten in stressigen Situationen. Die Polyvagaltheorie, entwickelt von Dr. Stephen Porges, bietet einen innovativen Blick auf die Funktionsweise des ANS und hilft uns zu verstehen, wie wir unser Nervensystem regulieren können, um ein ausgewogenes und gesundes Leben zu führen.
Du begleitest Menschen professionell? Hier ein paar praktische Tipps für Nervensystem-Regulation im therapeutischen/beratenden Setting
- Erkennen der Zustände: Durch achtsames Beobachten der körperlichen und emotionalen Signale können wir den aktuellen Zustand des Nervensystems von uns selbst und von unseren Klient:innen identifizieren.
- Förderung des ventralen Vagus-Zustands: Techniken wie Atemübungen, sichere soziale Interaktionen und sanfte körperliche Bewegungen können helfen, den Sicherheitszustand zu aktivieren.
- Umgang mit Kampf- oder Flucht-Reaktionen: Orientierung im Raum, zählen von Gegenständen, Körperübungen können helfen, das sympathische System zu beruhigen.
- Arbeiten mit dem Erstarrungszustand: Langsame, beruhigende Aktivitäten und sanfte körperliche Berührung (wenn gewünscht und angemessen) können helfen, den dorsalen Vagus-Zustand zu regulieren und die Rückkehr zur Sicherheit zu unterstützen.